Bericht des Donau Kurier von Otto Frühmorgen 2019

Dr. Friedrich Lenhardt überreicht das Köschinger Heimatbuch an Markus Rinderspacher
© Gerhard Mayerhofer

Vortrag von Markus Rinderspacher zum Thema „100 Jahre Freistaat Bayern–Demokratie gestern, heute, morgen“

Kösching (frj) Nach dem „Flashmob“, bei dem am 5. Januar 2019 an den Auftritt des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner vor 100 Jahren in Kösching erinnert wurde, hatte der Geschichtsverein Markus Rinderspacher zu seiner Jahreshauptversammlung eingeladen.

Der langjährige Fraktionsvorsitzende der SPD im Bayerischen Landtag sprach zum Thema „100 Jahre Freistaat Bayern – Demokratie gestern, heute, morgen“ im vollbesetzten Ambergersaal. Dazu waren auch Dr. Manfred Schuhmann, Sven John, Bürgermeisterin Andrea Ernhofer, ihr Stellvertreter Manfred Hofweber, ihre Amtsvorgänger Siegfried Betz und Maximilian Schöner gekommen, ebenso Dieter Betz als Vorsitzender des SPD-Ortsverbandes, der heuer sein 100 jähriges Bestehen feiern kann.

Die musikalische Umrahmung hatten fünf ehemalige Mitglieder des Ingolstädter Jugendkammerchores übernommen. Als Acapella-Ensemble „MenGoVocal“ sangen sie stimmgewaltig und gekonnt Freiheitslieder aus der deutschen Geschichte, als erstes „Die Gedanken sind frei“

Zu Beginn erinnerte Markus Rinderspacher an die Ursachen und Hintergründe der Revolution vom 7./8. November 1918. Getreu dem Motto „Wer sich seiner Wurzeln nicht bewusst ist, weiß nicht, woher er kommt und wohin die Reise geht“ wies Rinderspacher auf die Errungenschaften dieser Revolution und die Rolle von Kurt Eisner hin, dessen Ermordung sich am 21. Februar zum 100. Mal jährt. Nach dessen Grundsatz „Jedes Menschenleben soll heilig sein“ seien damals die individuellen Menschenrechte durchgesetzt worden mit der Gleichheit vor dem Gesetz und dem allgemeinen Wahlrecht für Männer und Frauen.

Der Redner hatte bereits am 30. Januar 2018 im bayerischen Landtag einen Antrag eingebracht, den 8. November als Gedenktag zur Einführung der Demokratie in Bayern einzuführen. Er bedauerte, dass dieser Tag, an dem die Wittelsbacher nach 738 Jahren gestürzt wurden, lange in Vergessenheit geraten und bisher kein Gedenktag werden konnte wie der 14. Juli in Frankreich. „Die Erinnerungskultur in Bayern ist monarchisch!“, betonte der Vizepräsident des bayerischen Landtags. Deswegen seien auch wenige Straßen und Plätze nach Personen benannt, welche die Demokratie in Deutschland oder in Bayern erkämpft und gegen ihre Feinde verteidigt hätten. Dazu gehörten zum Beispiel Albert Roßhaupter, Michael Pöschke, der spätere Oberbürgermeister von Erlangen und „Held unserer Demokratie“ sowie Wilhelm Hoegner, der Vater der bayerischen Verfassung von 1946 und Ministerpräsident 1945/46 und von 1954 bis 1957.

Aus den Erfahrungen des Nationalsozialismus sei die deutsche Erinnerungskultur nach 1945 antifaschistisch gewesen, sie habe sich um die Täter und Opfer gekümmert. Die Demokratie solle nach Ansicht von Markus Rinderspacher nicht nur ein Bollwerk sein, nicht nur ein Antipode, sondern ein Wert an sich, mit dem Kompromiss als wichtigstem Kennzeichen, auf allen staatlichen Ebenen und in den Familien.

Nach diesem historischen Rückblick beschäftigte sich Markus Rinderspacher mit der Akzeptanz und den Problemen der Demokratie in Deutschland und den westlichen Demokratien. Ausgehend von den Bedrohungen und der Ablehnung durch rechtsgerichtete Parteien, die Wirtschaft und die Reichen sowie durch das Prekariat und den Nationalismus spannte er - kompetent und sehr eloquent - einen weiten Bogen.

Als Quintessenz seiner Ausführungen gab er einige Ratschläge zur Rettung der Demokratie in Deutschland und Europa. Nicht neue kleine soziale Wohltaten seien für die Menschen wichtig, sondern Respekt und Anerkennung: „Wenn es demokratischen Parteien nicht gelingt, diese Anerkennung zu vermitteln, dann ist die Demokratie verloren!“ Die Parteien bräuchten allerdings auch die Unterstützung der Bürger'. Markus Rinderspacher zollte allen Menschen großen Dank, die sich im Ehrenamt bürgerschaftlich engagieren – besonders auch hier in Kösching. Angesichts der Tatsache, dass es 4.000 Milliardäre weltweit und 4.000 Einkommensmillionäre in Bayern gibt, forderte er eine „Globalisierung von Gerechtigkeit“.

Eine besondere Bedeutung kommt nach Meinung von Markus Rinderspacher der Wahl zum Europaparlament am 26. Mai zu. Die europäische Einigung habe nicht nur über 70 Jahre Frieden gebracht, sie sei die Grundlage unseres Wohlstandes. Angesichts von Chinas Aufstieg zur Weltmacht Nummer 1 durch die Kombination von westlichem Kapitalismus und leninistischem Totalitarismus müsse Europa die auftretenden Probleme gemeinsam lösen. „Europa ist ein Erfolgsmodell der menschlichen Werte! Demokratie ist die beste Staatsform, die wir je in Bayern und Deutschland hatten“, betonte Rinderspacher zum Abschluss seiner Rede, die mit großem Applaus quittiert wurde.

Nach der „Internationale“, mehrstimmig von den „MenGoVocal“ vorgetragen, lobte Dr. Friedrich Lenhardt den Redner für diese „historisch-politische Sternstunde“. Als Dank und Anerkennung überreichte er das Heimatbuch von Kösching. Zum Abschluss dieses sehr gelungenen Abends sangen alle gemeinsam die „Bayernhymne“.